Mittwoch, 10. Juni 2015

Stinkt Eigenlob wirklich?

"Eigenlob stinkt" - pflegte meine Großmutter immer zu sagen. Bescheidenheit wurde groß geschrieben.

Zu Hause beim Mittagessen fällt mein Blick auf eine selbst gebastelte Figur, auf der mein Sohn das aufgeschrieben hat, was er besonders gut kann. Dies aufzuschreiben war eine Aufgabe im Fach "Ethik / Religion" der 3. Klasse. 

Als er mir damals diese Figur zeigte, musste ich an meine eigene Kindheit zurück denken. Wie bei den meisten anderen wohl auch, war ein Lob oder ein sprachliches "Schulterklopfen" - nach dem Motto: "Das hast du wirklich gut gemacht. Ich bin stolz auf dich" selten bis gar nicht zu hören. Im Gegenteil: Die Freude über etwas Gelungenes wurde damals mit dem bärtigen Sprichwort: "Eigenlob stinkt" mancherorts gleich wieder im Keim erstickt. 

Und so nehmen auch viele von uns heute noch Dinge, die wir besonders gut gemacht haben, als selbstverständlich wahr - ohne diese besonders positiv zu empfinden. Oftmals ist uns nicht mal bewusst, was wir eigentlich besonders gut können - wo unsere Stärken liegen. Fragt man jemanden nach den Schwächen - fallen uns hier auf Anhieb wahrscheinlich mehr Eigenschaften als umgekehrt ein. Wir sind es nicht gewohnt, uns selbst zu feiern. Wir kritisieren uns lieber und lechzen immer wieder nach Anerkennung durch Andere. 

(Bild: Sabine #)


Ist nur Anerkennung von Anderen wichtig?


Es ist wie eine niemals endende Sucht: Wir suchen sie immer wieder - dadurch erhöht sich natürlich auch unser Selbstbewusstsein, denn nur die Anerkennung von aussen ist die wahre Wertschätzung uns selbst gegenüber. 

Oder etwa nicht? Anerkennung, die von außen kommt, macht uns jedoch sehr abhängig. Der Chef lobt uns, wenn eine Woche besonders gut gelaufen ist. In der nächsten Woche wieder. Bleibt das Lob aber in der dritten Woche aus - fehlt etwas, sind vielleicht sogar enttäuscht und wir gehen davon aus, daß wir die Erwartungen nicht erfüllt haben. Strengen uns noch mehr an, um wieder das heiß ersehnte Lob vom Chef zu erhalten. Ähnlich auch bei Kindern, die ein Lob von ihren Eltern erhalten.

Um diese "Abhängigkeit" zu vermeiden, lohnt es sich, daß wir uns selbst über unsere Stärken bewusst werden und diese auch täglich wahrnehmen. Uns im Zuge dessen auch erlauben, sich über Dinge, die wir täglich gut gemacht haben, zu freuen. Sei es der gewuppte Haushalt mit Wäsche und Einkaufen, das Überwinden des inneren Schweinehunds für das Sportprogramm oder einfach ein lecker gekochtes Essen. Denn das ist absolut nicht selbstverständlich. Einigermaßen durch den Alltag zu kommen, ohne manchmal alles hinschmeißen zu wollen oder aufzugeben, ist schon eine Leistung, die aus ganz vielen Erfolgen besteht. Wir müssen nur anfangen, sie wahrzunehmen. 

Ein "Ja, das hab ich heute echt gut hingekriegt" - dürfen wir uns ruhig öfter sagen. Aus diesem Grunde habe ich die selbstgebastelte Figur meines Sohnes so in der Küche aufgestellt, daß wir alle - auch er - sie jeden Tag sehen kann.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen